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Neulandmethode - Fehlerhafte Aufklärung

Fehlerhafte Aufklärung bei einer „Neulandmethode“ führt zu einem Schmerzensgeldanspruch von € 35.000,-

Leitsatz: Wählt der Arzt eine Neulandmethode, hat er den Patienten über diesen Umstand sowie über die alternativen Behandlungsmethoden aufzuklären.

In einem aktuellen Urteil hat das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 23.01.2018, Az.: 26 U 76/17) über einen Fall der sogenannten Neulandmethode im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses zu entschieden.
In dem zu entscheidenden Fall lag bei einer Patientin eine Belastungsharninkontinenz vor. Ihr Urologe empfahl eine Operation und überwies die Klägerin an den Beklagten. Der operierende Beklagte wählte eine neue, nicht dem Standard entsprechende, Operationsmethode (Pro-Lift Netz). 
Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Wahl der Behandlungsmethode zwar primär Sache des Arztes. Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten erfordert aber eine Unterrichtung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten.
Der Beklagte klärte zwar über die Behandlungsrisiken auf, unterließ aber eine Aufklärung über andere, dem aktuellen Standard entsprechende Methode und über dem Umstand, dass es sich um eine neue Methode handelte.
Eine Folge der Operation waren persistierende (anhaltende) Schmerzen bei der Klägerin. Hierfür hielt das Gericht einen Betrag von € 35.000,- als angemessenes Schmerzensgeld.

https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2018/26_U_76_17_Urteil_20180123.html

Zustimmung der Eltern bei Behandlung eines minderjährigen Kindes

Zur Zustimmung beider Eltern bei ärztlichem Heileingriff bei einem minderjährigen Kind

In seinem Urteil vom 29.09.2015, Az.: 26 U 1/15 hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm die folgenden Leitsätze formuliert:

1.) Ein ärztlicher Heileingriff bei einem minderjährigen Kind bedarf grundsätzlich der Zustimmung beider sorgeberechtigter Eltern.

2.) Erscheint nur ein Elternteil mit dem Kind beim Arzt, darf dieser in von der Rechtsprechung präzisierten Ausnahmefällen - abhängig von der Schwere des Eingriffs - darauf vertrauen, dass der abwesende Elternteil den erschienenen Elternteil zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff ermächtigt hat.

Der traurige Hintergrund war der Fall, dass die Eltern eines verstorbenen Frühchens einen Arzt wegen eines vermeintlichen Behandlungsfehlers und wegen eines Aufklärungsfehlers verklagt hatten.

Der gerichtliche Gutachter konnte keinen Behandlungsfehler feststellen.

Vor der Biopsie des Frühchens war nur mit der Mutter, nicht aber mit dem Vater das Aufklärungsgespräch geführt worden. Der Vater hatte wohl nicht ausdrücklich in die Behandlung eingewilligt. Das Oberlandesgericht bewertete nach dem Gutachten die durchgeführte Biopsie als leichten bis mittelgradigen Eingriff mit normalen Anästhesierisiken. Es sei deshalb ausreichend, dass sich der aufklärende Arzt bei der klagenden Mutter nach der Einwilligung des Vaters erkundigt habe und sich die Einwilligung durch die Unterschrift der Mutter auf dem Aufklärungsbogen mit entsprechendem Hinweis habe bestätigen lassen.

Aber wie heißt es bei Juristen immer: „Es kommt darauf an!“ Hier kam es auf die Schwere des Eingriffes an. Bei komplizierteren oder risikoreicheren Eingriffen ist also die Zustimmung beider Erziehungsberechtigten vorzuziehen.

https://www.justiz.nrw.de/…/…/26_U_1_15_Urteil_20150929.html

€ 100.000,- Schmerzensgeld bei nicht erkanntem Hautkrebs

€ 100.000,- Schmerzensgeld bei nicht erkanntem Hautkrebs

In seinem Urteil vom 27.10.2015, Az.: 26 U 63/15 hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm die folgenden Leitsätze formuliert:

1.) Bei dermatologischen Auffälligkeiten muss ein bösartiger Befund differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Die histologische Entnahme einer Probe muss durch einen Arzt durchgeführt und darf nicht dem Patienten selbst überlassen werden.

2.) Bei einem Melanomverdacht ist der Patient deutlich auf die Notwendigkeit der Wiedervorstellung zum Ausschluss des Verdachts hinzuweisen.

3.) Eine fehlerhafte Probeentnahme und der unterlassene Hinweis der Wiedervorstellung können - bei einem Melanomverdacht - als grober Behandlungsfehler zu werten sei. Bei einer Leidenszeit einer 55-jährigen Patientin mit mehreren operativen Eingriffen und letztlich tödlichem Ausgang ist ein Schmerzensgeld von 100.000,- € angemessen.

Die im Laufe des Verfahrens verstorbene Patientin hatte den Arzt wegen einer Verfärbung eines Zehennagels nach einer Stoßverletzung aufgesucht. Der Arzt zog einen Nagelbluterguss in Betracht. Er veranlasste die Einreichung einer Nagelprobe. Die histologische Untersuchung ergab lediglich einen bakteriellen Infekt. Die Verfärbung hatte sich innerhalb des nächsten Jahres nicht zurückgebildet und es wurde eine Krebserkrankung diagnostiziert.

Nach der Einholung eines Gutachtens kam das Gericht zu dem Schluss, dass der behandelnde Arzt es versäumt habe, eine ausreichende Untersuchung zum Ausschluss eines Melanoms sicherzustellen. Dieses wäre bei ordnungsgemäßer Befundung festgestellt worden. Auch sei den Behandler vorzuwerfen, der Klägerin als Patientin nicht hinreichend verdeutlicht zu haben, dass sie sich zur weiteren Befundung in der Praxis bald wiedervorstellen solle.

Dann bewertete das Oberlandesgericht das Fehlverhalten des Beklagten in der Gesamtheit als grob behandlungsfehlerhaft. Das führt prozessual zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der zurechenbaren Folgen.
Dem behandelnden Arzt war nach Auffassung des Gerichtes vorzuwerfen, dass aufgrund eines als grob zu bewertenden Behandlungsfehlers die Hautkrebserkrankung der Klägerin nicht rechtzeitig erkannt werden konnte. Deshalb ist ihm die bis zum Tod führende Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Patientin zuzurechnen.

https://www.justiz.nrw.de/…/j2015/26_U_63_15_Urteil_2015102…

Kind erhält € 25.000,- von haftenden Ärzten

Kind erhält € 25.000,- von haftenden Ärzten

In seinem Urteil vom 31.10.2016, Az.: 3 U 173/15 hat das Oberlandesgericht Hamm, einem Kind einen Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von € 25.000,00 zugesprochen.
Verurteilt wurden ein Kinderarzt und ein Orthopäde. Der Kinderarzt hat bei der U3-Untersuchung des Kleinkindes eine Reifeverzögerung seiner Hüfte aufgrund einer falschen Diagnose verkannt. Daran schloss sich der nächste Behandlungsfehler eines Orthopäden an, der zur späteren Abklärung eines auffälligen Gangbildes des Kindes röntgenologische Befunde oder Kontrollen im engen zeitlichen Abstand versäumt hat. 
Infolge dieser beiden Fehler hatte sich bei dem Kind eine Hüftgelenksluxation (=ausgekugeltes Hüftgelenk) ausgebildet. Diese musste operativ versorgt werden.

Die beiden Ärzte wurden als Gesamtschuldner verurteilt, an das Kind ein Schmerzensgeld in Höhe von € 20.000,00 und weitere € 5.000,00 zu zahlen.

https://www.justiz.nrw.de/…/j2016/3_U_173_15_Urteil_2016103…

Eltern streiten über Impfungen des Kindes

In einem aktuellen Beschluss hat sich der Bundesgerichtshof zum Thema Impfungen und widerstreitende Elternmeinungen befasst.

Sachverhalt zu dem Beschluss vom 03.05.2017, Az.: XII ZB 157/16 war folgender:

Das Mädchen ist fast fünf Jahre alt, die Eltern leben getrennt, teilen sich aber das Sorgerecht. Beim Thema Schutzimpfungen gibt es Streit, denn die Mutter ist Impfgegnerin. Sie hat Angst, ihre Tochter könnte gesundheitliche Schäden davontragen. Außerdem traut sie den Ärzten und der Pharmaindustrie nicht.

Dem Vater geht es darum, dass seine Tochter erst gar nicht an ansteckenden Krankheiten erkrankt. Er möchte, dass das Mädchen alle offiziell empfohlenen Impfungen bekommt.

Der BGH entschied im Sinne des Vaters. Zwei der Leitsätze lauten:

1.) Die Schutzimpfung eines Kindes ist auch dann eine
Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, wenn es sich um eine sogenannte Standard- oder Routineimpfung handelt.

2.) Bei Uneinigkeit der Eltern über die Durchführung einer solchen Impfung kann die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut befürwortet, jedenfalls dann übertragen werden, wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen.

http://juris.bundesgerichtshof.de/…/rechtsprec…/document.py…